Harnblase | 10 Fragen zum Urinspeicher

Welche Erkrankungen der Harnblase gibt es? Wie viel Urin passt in eine Harnblase? Ist langes Halten schädlich? Antworten auf 10 Fragen rund um die Blase.

Wozu ist die Harnblase da?

Die Gesundheit der Harnblase (Vesica urinaria) ist ein generationsübergreifendes Thema, das für das alltägliche Wohlergehen eine wichtige Rolle spielt. Grundsätzlich hat die Blase die Aufgabe, den Urin, der bei der Reinigung des Blutes durch die Nieren entsteht, zu sammeln und über die Harnröhre aus dem Körper auszuscheiden. Dabei handelt es sich bei der Blase um einen hohlförmigen Muskel, der sich bei zunehmender Füllung ausdehnt und bei der Entleerung des Urins wieder zusammenzieht.

Wie viel Urin passt in eine Harnblase?

Die Harnblase eines gesunden Menschen kann durchschnittlich einen halben Liter Urin speichern, wobei die maximale Speichermenge von vielen individuellen Faktoren abhängt. So soll die männliche Blase etwas grösser als die weibliche Blase sein. Harndrang setzt bei den meisten Menschen bei 300 bis 400 Millilitern ein, wobei es auch hier eine grosse Schwankungsbreite gibt. Aber eine Harnblase lässt sich bezüglich ihrer „Harndrang Meldung“ durchaus trainieren. Sie kann also lernen, sich erst später bei einer grösseren Menge an Volumen zu melden. Allerdings ist eine Füllung von mehr als 500 bis 600 Millilitern nicht erstrebenswert, da das Risiko einer Überdehnung des Blasenmuskels steigt.

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Welche typischen Erkrankungen der Harnblase gibt es?

Sowohl Frauen als auch Männer sind gleichermassen von Erkrankungen der Blase betroffen. Bestimmte Krankheitsbilder, wie die Blasenentzündung, treten jedoch anatomisch bedingt bei Frauen durch die kurze Harnröhre vermehrt auf. Es handelt sich bei der Blase um ein hochkomplexes Organ, das sowohl für die Speicherung des Urins als auch dessen kontrollierte Entleerung zu einem selbstbestimmten Zeitpunkt verantwortlich ist. Störungen können sowohl den Mechanismus der Speicherung als auch die Entleerung der Blase betreffen, wobei die Ursachen mechanischer, entzündlicher oder gar bösartiger Natur sein können.

Wie kommt es zu Inkontinenz?

Mit Inkontinenz ist der nicht kontrollierbare Urinverlust gemeint, der je nach Alter, Geschlecht und Erkrankung unterschiedlich ausgelöst wird. So kann Inkontinenz bei Frauen die Folge eines geschwächten Beckenbodens nach der Geburt sein. Doch auch Verletzungen, neurologische Erkrankungen, Bandscheibenvorfälle, Rückenmarksschäden und chirurgische Eingriffe, wie etwa die Entfernung der Prostata beim Mann, können eine Inkontinenz verursachen. Immer mehr Menschen leiden heutzutage an den Folgen von Inkontinenz, wodurch die persönliche Lebensqualität im Alltag merklich eingeschränkt wird. Auch wenn die Inkontinenz noch ein Tabuthema darstellt, empfehlen wir Ihnen im Falle einer solchen Blasenschwäche, das offene Gespräch mit Ihrem Arzt zu suchen.

Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz gehören zu den häufigsten Inkontinenzformen.
Blasenschwäche bei Frauen ist weit verbreitet und kein Einzelschicksal. Gerade bei der Geburt kann es oftmals zu einer Schwächung im Sinne einer Überdehnung von Muskel- und Bandstrukturen im Beckenbodenbereich kommen, die zu Inkontinenz nach der Schwangerschaft führen kann. Aber auch die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren, eine oft altersbedingte Schwächung der Muskulatur oder auch Übergewicht können Auslöser einer Inkontinenz sein.

Beim Mann ist die häufigste Ursache einer Inkontinenz entweder eine vorangegangene Operation der Prostata oder eine altersbedingte Drangblase, die dann durch den einschliessenden Harndrang wie eine Blasenschwäche imponiert. Auch hier spielt jedoch der allgemeine Gesundheitszustand eine wichtige Rolle, denn eine gute Muskulatur, ein normaler Hormonhaushalt und eine intakte Nervenversorgung sind wichtig. So haben beispielsweise Menschen mit einer Schüttellähmung (Morbus Parkinson) oft eine Drangstörung der Blase und sie schaffen es wegen der Nerveneinschränkung dann nicht mehr rechtzeitig zur Toilette.

Wie entsteht eine Blasenentzündung (Zystitis)?

Die Entzündung der Blase hängt stets mit einer Infektion zusammen, bei der Keime über die Harnröhre in die Blase gelangen. Aufgrund der kurzen Harnröhre sowie hormoneller Veränderungen sind Frauen häufiger betroffen als Männer..
Eine Entzündung der männlichen Blase ist aufgrund der langen Harnröhre viel seltener. Meist tritt sie im Alter bei einer vergrösserten Prostata auf, wenn sich die Blase nicht mehr richtig entleeren kann und ist meistens Folge einer unzureichenden Blasenentleerung, wie sie oft im Alter oder bei einer vergrösserten Prostata auftritt.

Was versteht man unter einer Reizblase?

Bei einer Reizblase kommt es zu häufigem, zumeist „überfallartigem“ Harndrang. Dieses Phänomen kann viele Ursachen haben, die sorgfältig abgeklärt werden müssen. Dazu gehören Entzündungen, neurologische Erkrankungen wie beispielsweise Multiple Sklerose, aber auch bösartige Erkrankungen der Blase.

Die Reizblase ist somit als Oberbegriff zu verstehen, die lediglich den überaktiven Zustand der Harnblase beschreibt. Bei Symptomen, die auf eine Überaktivität der Blase hindeuten, empfehlen wir Ihnen, dies durch Urologen als spezialisierte Ärzte für Erkrankungen der Blase abklären zu lassen.
Erst wenn man alle fassbaren Ursachen ausgeschlossen hat, darf man von einer sogenannten idiopathischen Reizblase sprechen. Dabei meint der häufig benutzte Begriff „idiopathisch“, dass man keine Ursache feststellen kann. Trotzdem wird man in diesen Fällen eine Behandlung durchführen, die dann die Symptome lindert oder behebt, aber nicht ursächlich heilend ist.

Was ist der Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Harnblase?

Die Anatomie der harnableitenden Organe wird im Wesentlichen durch die Geschlechtsorgane bestimmt. Während bei der Frau der anatomische Teil von Fortpflanzung und urinableitendem Organ getrennt ist, sind sie beim Mann in einem gemeinsamen Organ vereinigt. Damit ergeben sich zwischen den Geschlechtern folgende Unterschiede:
Frauen verfügen über eine kürzere Harnröhre (drei bis vier Zentimeter), welche im Scheidenvorhof endet. Zudem liegt die weibliche Harnröhre sehr dicht am Darmausgang. Der Beckenboden als Bestandteil des Schliessmechanismus wird demnach von der Vagina, die gleichzeitig Geburtskanal ist, durchbrochen.

Die Harnröhre des Mannes ist etwa 20 Zentimeter lang, durchzieht den gesamten Penis und mündet unmittelbar an der Eichelspitze. Unterhalb der Blase befindet sich die Prostata, durch die sich die Harnröhre hindurchzieht. Deshalb kann es bei einer Vergrösserung der Prostata zu Entleerungsstörungen der Blase kommen.

Wie ist die Harnblase aufgebaut?

Harnblase Anatomie

Die Harnblase ist ein elastisches, äusserst dehnbares Hohlorgan, welches sich im unteren Bereich der Bauchhöhle, hinter dem Schambein befindet. Sie besteht aus einem mehrschichtigen Muskelsystem und ist von einem komplexen Nervengeflecht umgeben. Im leeren Zustand hat die Blase eine eher abgeflachte Form. Je mehr sie sich füllt, umso runder wird sie. Die Blase ist direkt mit den beiden Harnleitern sowie der Harnröhre verbunden. Ein spezieller Schliessmechanismus, bestehend aus Beckenbodenmuskulatur und Schliessmuskel, sorgt dafür, dass vor der vom Gehirn gesteuerten Entleerung kein Urin verloren wird.

Wie funktioniert das Entleeren der Harnblase?

Bei einer leeren oder wenig gefüllten Blase ist die Muskulatur der Blase entspannt und der Schliessmuskel im Beckenbodenbereich aktiviert und angespannt, so dass kein Urin auslaufen kann. Im Inneren der Blasenwand gibt es sogenannte Dehnungsrezeptoren, die als spezialisierte Nerven den Dehnungszustand der Blasenwand registrieren und an das Gehirn weiterleiten. Mit zunehmender Füllung der Blase informieren die Nerven das Gehirn, dass die Spannung in der Blasenwand zunimmt und lösen das Gefühl des Harndrangs aus. Im Moment der willentlich gesteuerten Blasenentleerung kommt es dann simultan zur Entspannung des Schliessmuskels und gleichzeitig einer Anspannung des turbanförmigen Blasenmuskels, so dass der Urin nach unten durch die Harnröhre ausgetrieben werden kann.

Bis zu einem gewissen Füllungsgrad kann man den Blasenreiz entweder rein willentlich oder durch bestimmte Mechanismen mit einem Gegenreiz unterdrücken. Irgendwann ist die Spannung im Blasenmuskel aber so gross, dass die Blase gewissermassen überläuft. Das ist dann weniger eine Entspannung des Schliessmuskels als vielmehr ein Durchpressen derjenigen Menge an Urin, die den Blaseninnendruck stärker anhebt als der Verschlussdruck des Schliessmuskels entgegenhalten kann. Man bezeichnet das als eine Überlauf-Inkontinenz. Dass die Blase platzt, kommt nur bei plötzlichen Druckerhöhungen wie einem Sturz oder einem Verkehrsunfall vor, wenn der Sicherheitsgurt plötzlich die gefüllte Blase von aussen komprimiert.

Ist langes Einhalten des Urins schädlich für die Harnblase?

Der Volksglaube, dass ein Einhalten des Urins in der Blase trotz Harndrang grundsätzlich für die Blase schädlich sei, ist nicht richtig. Es hängt vielmehr von der Menge des Urins in der Blase ab. Denn normalerweise kann die Blase 400 bis 500 Milliliter speichern.
Geht es deutlich über diese Menge hinaus, wie beispielsweise bei einem Mann mit einer vergrösserten Prostata, der die Blase nur noch beschwerlich entleeren kann, dann kann es tatsächlich zu einer „Überfüllung“ der Harnblase führen, in deren Folge sich die Muskulatur überdehnt. Ein normales Zusammenziehen der Muskulatur funktioniert dann nicht mehr. Die Folge kann eine dauerhaft schlaffe, sogenannte „atone“ Harnblase sein, die sich im Extremfall gar nicht mehr willentlich entleeren lässt.

Etwas ganz anderes ist aber die chronisch zu kleine Blase. Denn gibt man jedem Blasenreiz sofort nach, verkleinert sich die Blase alleine deshalb, weil kein Dehnungsreiz mehr erfolgt. Neben der vermutlich altersbedingten Versteifung der Blase mit einem Verlust an Elastizität kommt dann diese fehlende Dehnung hinzu und es entwickelt sich das Risiko, dass nicht nur die Skelettmuskulatur versteift, sondern auch die Muskulatur der Blase. Wird die Blase also weitgehend restharnfrei entleert, – was man einfach mit Hilfe eines Ultraschalls feststellen kann – sollte man darauf achten, dass die Blase nicht zu klein wird.

Wie man das macht?

Messen Sie einfach von Zeit zu Zeit Ihre Urinmenge, indem Sie einen Füllbecher nutzen, den man in jedem Drogeriemarkt kaufen kann. Ist die Speicherkapazität Ihrer Blase regelhaft unter 300 Milliliter, sollten Sie die Blase wieder trainieren und durch ein Zurückhalten des Urins ähnlich einem „Pilates-Training“ wieder aufdehnen. Das ist nicht einfach und es dauert Monate, bis die Blase wieder das vorgesehene Volumen von fast einem halben Liter fassen kann.

Und noch ein Trick: Messen Sie einmal pro Woche das Volumen und führen Sie ein Protokoll als Erfolgskontrolle.

Fazit Harnblase

Die Harnblase ist Teil eines hochkomplexen Organsystems, das häufig unterschätzt wird. Es funktioniert wie selbstverständlich und man redet nicht darüber. Wenn es aber zu Schädigungen kommt, wie beispielsweise einer überaktiven Drangblase oder einer undichten Blase im Sinne einer Inkontinenz, dann merken sowohl die Betroffenen als auch die Umgebung erst, wie revolutionär dieses Organ für unseren Alltag ist. Deshalb sollte man bei Funktionsstörungen rechtzeitig eine Fachärztin und einen Facharzt aufsuchen, um eventuell mit einem Blasentraining einer häufig altersbedingten Verkleinerung der Blase vorzubeugen oder andere Ursachen wie eine vergrösserte oder verengte Prostata zu behandeln.
Mit den obigen 10 Antworten haben Sie hoffentlich einen interessanten Überblick über die Funktionsweise der menschlichen Blase erhalten, damit sie ihren Alltag etwas bewusster gestalten können.

 

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medizinisch und fachlich geprüft von:

Facharzt für Urologie

Prof. Dr. Stephan Roth hat nach dem Studium an der Universität Aachen an der Städtischen Klinik in Düren im Rheinland seine Facharztausbildung absolviert. Als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft ging er dann zwei Jahre an die Universitäten in Paris, Rennes und die Harvard University in Boston und arbeitete danach sechs Jahre an der urologischen Universitätsklinik in Münster als leitender Oberarzt. 1997 wurde er dann von der Universität Witten/Herdecke an die Helios-Universitätsklinik für Urologie in Wuppertal berufen, die er seit 23 Jahren als Direktor leitet. 2015 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie.